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KTQ - im Pressespiegel

2021/12 - dasKrankenhaus: Ein erfolgreicher Umstieg auf KTQ

Wechsel des Zertifizierungsverfahrens – Gründe und Erfahrungen

Seit mehr als zehn Jahren basierte das Qualitätsmanagement des BundeswehrZentralkrankenhauses in Koblenz auf den Standards der Joint Commission International (JCI). Dreimal hatte das Haus die Zertifizierung erfolgreich geschafft. Dennoch will die Klinik nun auf das System der KTQ-Zertifizierung umsteigen. Der Autor, Beauftragter für das Qualitäts- und Risikomanagement des BwZKrhs Koblenz, beschreibt die Gründe und den Vollzug des Umstiegs.

Wir haben uns im Jahr 2018 entschieden, das Zertifizierungsverfahren der Joint Commission International zu verlassen. Die nächste Zertifizierung stand 2020 an. Wir wollten Kontinuität in unserem Qualitätsmanagement, aber in einem anderen System. Welches das sein sollte, haben wir in einem aufwendigen Abwägungsprozess, dem Vergleich von Standards und Befehlen, von Aufwand und Ergebnis, von Vor- und Nachteilen, festgelegt. Wichtig war uns dabei vor allem, dass unser bestehendes System auf einen anderen Katalog projiziert werden kann. Die Gründe für den Ausstieg aus dem JCI-Verfahren hatten sich nach und nach immer deutlicher gezeigt. Ein wesentlicher Aspekt war, dass der Aufwand immer größer wurde, ohne dass wir vom Nutzen vieler Neuerungen für unser eigenes Qualitätsmanagement überzeugt waren.

So änderten sich alle drei Jahre die Auflagen der Standards. Dabei ging es nicht nur um Details, sondern auch um Umfänge und Struktur. Von der vierten zur fünften Auflage wurden viele Standards vom Kapitel QPS-Quality Improvement and Patient Safety (Qualitätsverbesserung und Patientensicherheit) in das Kapitel GLD – Governance, Leadership and Direction (Aufsicht, Führung und Leitung) verschoben. Die gesamte Struktur der vorhandenen Dokumentation musste neu angepasst werden. Mit jeder Auflage wurde die Diskrepanz zwischen bei uns geltenden Regelungen und Bestimmungen und den Forderungen der Standards immer größer. Viele Vorgaben waren in Bezug auf den Datenschutz, auf Regelungen der berufsständischen Selbstverwaltung oder Strukturen und Prozesse im deutschen Gesundheitssystem nur noch teilweise oder gar nicht mehr zu erfüllen.

Das war schon bis zur vierten Auflage mit großem Aufwand verbunden, doch die fünfte Auflage baute dann eine zusätzliche Hürde auf. Es gab keine deutsche Auflage der Standards mehr. Wir mussten mit dem englischen Buch arbeiten. Das schafft vielleicht ein kleiner Kern von Mitarbeitenden, doch für die große Zahl engagierter Beteiligter bei uns war das sehr schwierig bis unmöglich.

Nicht nur die ganze Korrespondenz – die Anmeldung, alle Formulare, die Kommunikation mit der JCI-Zentrale in Chicago – war schon immer aufwendig. Bestimmte Regelungsdokumente mussten in englischer Sprache und zertifizierter Übersetzung vorgelegt werden. Das hat uns das Bundessprachenamt zwar abgenommen, doch der dafür erforderliche Zeitraum war sehr lang.

Der Aufwand für die Zertifizierung nach JCI war immer sehr hoch. Doch als dann die Erfüllungsquote für die 1 100 messbaren Elemente auf 98,4 % angehoben wurde, war das für uns nicht mehr zu tolerieren. Dadurch ergab sich bereits eine Gefährdung der Zertifizierung, wenn 30 Elemente nicht erfüllt wurden. Das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis war einfach zu hoch geworden, zumal wir eben für bestimmte Standards keinen wirklichen Nutzen mehr erkennen konnten.

Wir entschieden uns für einen Systemwechsel. Wir haben uns sehr intensiv mit den Bundeswehrkrankenhäusern in Hamburg und Berlin dazu ausgetauscht, die beide nach KTQ zertifiziert sind. Wir kamen zu dem Schluss, dass ein Umstieg auf KTQ am besten funktionieren könnte. Entsprechend haben wir dann exemplarisch Kapitel und Standards der JCI daraufhin geprüft und gesehen, dass der Fragenkatalog der KTQ damit gut adressiert werden konnte.

Wir konnten damit beginnen, die Zertifizierung für 2020 zu planen. In diesem Jahr endete das JCI-Zertifikat und wir wollten einen nahtlosen Anschluss. Dass wir das dann erst 2021 realisieren konnten, war der Pandemie geschuldet mit allen damit verbundenen Belastungen für die Mitarbeitenden. Außerdem konnten wir die meisten Schulungs- und Einweisungsformate nicht umsetzen, weil unsere Aula zur Intensivstation umgebaut wurde.

Umstieg ohne Bruch

Für uns war es wichtig, unser in zwölf Jahren gewachsenes QM-System zu bewahren. Es sollte ein Übergang ohne Bruch in der Terminologie und der Grundphilosophie sein. Deshalb verglichen wir die KTQ-Kriterien akribisch mit unserem eigenen System und konnten so erkennen, wo beide übereinstimmten und wo wir noch Anschluss an den KTQ-Katalog schaffen mussten. Das hätten wir auch mit dem Katalog der DIN ISO 15224 machen können. Immerhin entsprachen hier die elf Qualitätsmerkmale teilweise sogar im Wortlaut denen der JCI. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Kapitel, die sich mit dem Aufbau eines prozess- und risikoorientierten Systems beschäftigen – ein Teil, den wir bereits umgesetzt hatten. Wir hatten ja ein funktionierendes System. Auch deshalb war die Entscheidung für KTQ aus unserer Sicht folgerichtig.

Dennoch war vieles neu. QM-Team und Steuerungsgruppe haben sich sehr intensiv mit dem KTQ-System beschäftigt. Dabei wurden wir sehr gut von der KTQ unterstützt. In einer mehrtägigen In-House-Schulung wurden die Mitarbeitenden intensiv auf das neue System eingestellt. Diskutiert wurde auch, ob wir unser internes Auditing auf die KTQ-Kriterien umstellen sollten. Die Bestätigung, dass wir unsere Auditfragen, die sich ja auf die JCI-Standards bezogen, beibehalten können, war dabei für uns sehr wichtig, weil es auch Kontinuität vermittelte und den Mitarbeitenden Handlungssicherheit gab.

Neuland Selbstbewertung

Neu einstellen mussten wir uns auf die Selbstbewertung, die es bei der JCI nicht gibt. Diese Aufgabe hat uns einiges abverlangt. Hier kam uns aber sehr zugute, dass unser QM-System auf sehr viele Promotoren, Multiplikatoren, Projektgruppen, deren Leitungen und das Qualitätssicherungskernteam zurückgreifen konnte. Wir sind hier sehr breit aufgestellt und waren so in der Lage, dieses Wissen und die Kompetenz der Mitarbeitenden für den Selbstbewertungsbericht einzusetzen. Am Ende schrieben rund 50 Autoren daran. Die Endbearbeitung übernahm schließlich ein kleiner Personenkreis. Ein wichtiges Ergebnis der Selbstbewertung war, dass den Mitarbeitenden damit gezeigt wurde, wie viele verschiedene Prozesse im Haus ablaufen und auf welchen Regelungen sie basieren.

Unterschiede in den Zertifizierungen

Obwohl beide Zertifizierungen sehr professionell sind, gibt es doch erhebliche Unterschiede, die zum Teil auch im „Atmosphärischen“ liegen.

So empfanden wir die Atmosphäre bei der JCI-Zertifizierung zum Teil als angespannt, zwar höflich, doch mitunter distanziert. Die Befragungen wurden von den Mitarbeitenden mitunter durchaus als investigativ empfunden. Ein weiteres Spanungselement kam durch den Einsatz von Dolmetschern hinzu, wenn diese wenig Erfahrungen mit dem JCI-Verfahren und dem Medical English hatten. Das führte zu Missverständnissen und in der Folge zu fehlerhaften Bewertungen, die nur schwer wieder auszuräumen waren.

Der Surveyplan (Visitationsplan) der JCI umfasst für ein Krankenhaus unserer Größe eine Woche und wird von einem ärztlichen, einem pflegerischen und einem administrativen Surveyor (Inspektor) durchgeführt. Er beinhaltet u. a. eine morgendliche Besprechung des JCI-Teams mit dem Qualitätsmanagement des Hauses, an der auch Interessierte aus den am Vortag begangenen Bereichen teilnehmen können. Die Inspektoren werten sehr detailliert aus, was sie festgestellt haben – ihre sogenannten Findings, also das Negative, während Stärken kaum eine Rolle spielen. Das befördert den Zertifizierungsstress zusätzlich und vermittelt den Mitarbeitenden, dass ihr Bereich vermutlich sehr schlecht abgeschnitten hat.

Den Wechsel zu KTQ haben sie daher als Erleichterung empfunden, wie Rückmeldungen zeigten.

Während es im JCI-Verfahren nur vier kollegiale Interviews mit einem kleinen Personenkreis gab, nahmen bei KTQ auch Mitarbeitende teil, für die solche Dialogsituationen neu waren. Auch sie empfanden die Atmosphäre als aufgelockert und keinesfalls belastend. Das bedeutete nicht, dass die Visitoren nicht dennoch genau geprüft haben. Treffgenau und detailliert wurden unsere Stärken und Schwächen im Visitationsbericht herausgearbeitet.

Der Bericht wurde in unser Dokumentenmanagementsystem aufgenommen und dort den jeweiligen Kriterien zugeordnet. Inzwischen hat sich die Steuergruppe QM schon mit der Umsetzung der Verbesserungspotenziale beschäftigt. Der KTQ-Katalog ist die Richtschnur, die Regelungen und Maßnahmen erfolgen innerhalb der Struktur unseres QM-Systems.

Die Arbeit des Visitationsteams und des Visitationsbegleiters war für uns äußerst unterstützend. Schon im Vorfeld der Zertifizierung wurde uns die Organisation und Koordinierung abgenommen. Das kannten wir von der JCI nicht.

Am Ende konnten wir die neue Zertifizierung erfolgreich absolvieren. Wichtig war dabei für uns aber auch, dass wir unser QM-System in seiner Identität behalten und jeweils am aktuellen KTQ-Katalog als Richtschnur weiterentwickeln können. Jede Veränderung, die wir vornehmen, jedes Verbesserungspotenzial, das wir adressieren, kann in den Standards und Dokumenten unseres bestehenden Systems erfolgen.

Stärken und Schwächen des KTQ-Systems

Diese erste Zertifizierung nach KTQ hat uns die Stärken des Systems, aber auch Schwächen gezeigt. So haben wir uns etwas schwergetan, die sechs internationalen Patientensicherheitsziele – die ja Keimzelle des JCI-Systems sind – abzubilden, weil sie an verschiedenen Stellen im Katalog verteilt sind.

Der Selbstbewertungsbericht ist sowohl Stärke als auch Schwäche. Einerseits erfordert die Dokumentation der Prozesse eine sehr sorgfältige Vorbereitung in allen Bereichen. Andererseits ist der administrative und zeitliche Aufwand enorm. Das haben wir anfangs unterschätzt.

Eine weitere Stärke im KTQ-Verfahren ist die Sprache des Verfahrens. Wir wollten einen Übergang zu einem anderen Zertifikat ohne Bruch im QM-System. Ein Vergleich von DIN EN ISO und KTQ hatte eine größere Übereinstimmung in den Begrifflichkeiten und Inhalten mit KTQ gezeigt. Das war für unsere Teams einfach vertrauter und erleichterte die Arbeit.

Unser Fazit ist eindeutig: Die Entscheidung für einen Wechsel zu KTQ war richtig.

Im Systemverbund der fünf Bundeswehrkrankenhäuser sind mit uns nun vier Häuser nach KTQ zertifiziert.

Oberfeldarzt Andreas Betzholz, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz

Quelle: dasKrankenhaus, 12/2021, S. 1138-1139.